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[heft 2] [märz 2011] wien - st. wolfgang



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Wortvöllerei
Monika Giller

Gequälte Zungenbasteleien in so vielen Verwirrungsnächten. Schlaflos liegend und sich in Worten suchend. Sich in Wortdecken wälzend. Die Schmerzen, das Wortleiden, von einer Seite zur andern schieben. Links. Rechts. Links. Rechts. Sich selbst durchs Alphabet schieben und Verkettungen suchen. Mühsam Worte bauen, behauen, mit Satzmörtel übereinanderstapeln. Ersticken. An der Dunkelheit. An der Einsamkeit. Am Wortbrei, den man angerichtet hat und nun auslöffeln soll. Er verklebt den Gaumen. Verstopft den Magen, der dann in die Speiseröhre hinaufbrennt. Dass dieser laue Wortgrießbrei so brennen kann! Dass diese Wortlauheit, dieses Herumworten, diese kunstlose Wortfabrikation solches Feuer entfachen kann. Dass man sich die Zunge am Wortfeuer, Satzfeuer, verbrennen kann. Die Eingeweide des Körpers brennen. Die Eingeweide der Worte bleiben kalt. Tabletten gegen das Sodbrennen. Gegen das Wortsodbrennen. Gegen das künstliche Wortanfachen der Lauheit. Wortverbrennung. Unterzündwörter, die nichts bewirken. Nur schalen Mundgeschmack. Speichel, der die Wörter in einem See der Lauheit ertränkt. Keine Wortflamme, nur Satzrauch. Die Unterzündwörter sind nicht nur kraftlos, sie sind auch feucht. Tropfnass eigentlich, Eingespeichelte Worte, die ihren eigenen Brei nicht verdauen können.

Die Zunge, schlangengleich, an den Reißzähnen entlangtastend. Nach Wortbrei stochernd. Reißworte suchend. Aber nur die unbrennbare Wortkohle findend. Ascheworte. Wortasche. Längst vergangenes kraftvolles Zubeißen, Wortzerbeißen, Worteinfangen. Wortvernichtung im Satzbrei der Gegenwart. Nichts der Zukunft zum Mitgeben. Sprachlose Zukunft. Wortleere Zukunft. Wortlose Zukunft. Du bläst vergeblich in die Wortasche. Kein Wind, kein Sturm kann sie mehr bewegen. Nur ein paar graue Ascheflocken, die aus dem lauen Wortgewimmel herausfallen. Zukunftsresistent.

Dann blickst du auf die Wortkaskaden, Wortkränze, Wortgirlanden, Wortsteigleitern in den Himmel, der anderen. Blickst neidvoll auf deren Verwortungen. Auf deren Satzwolkenkratzer. Deren Wortgebirge und Wortschluchten und Wortabgründe. Bleibst neidübersät wie von Läusen zurück. In deinen Niederungen wimmelt es nur so von Wortläusen, Wortkakerlaken, Wortwanzen. Sie kriechen überall hinein und überall juckt es dich dann. Dein ganzer Pelz, Körperpelz, Hautpelz, ist übersät von Wort-ungeziefer, das sich zuguterletzt auch noch paart. Wortinzest ist die schlimmste Form von Inzest. Unweigerlich führt das zu Wortverkrümmungen, Wortkrüppel, Wortidiotien. Wortverwachsungen, mongoloides Satzgeknote sind die Folge. Kein einziges gerade gewachsenes Wort wirst du finden. Wird dir einfallen. Nichts als ein großer Kehrichthaufen, Wortkehricht, Worthaufen bleibt übrig. Wortmüll, auf dem man einen Hahn platzieren könnte, damit der dämliche Gockel auch noch Wortgegacker in die Welt setzen kann. Kehricht zuhauf – Gockel hinauf. Wortverfolgungen bis zur Schmerzgrenze. Hirnabschnürendes Sätzevergessen. Nur Stammeln einzelner Worte, die von Geburt an, an Krücken gehen. Selbst die simpelsten Sätze bleiben ein Wortwünschen, das in der Gurgel würgt. Sätze, die im Kehlkopf drücken, keine Luft in die Lunge zugeblasen bekommen und in den Darmwindungen erbärmlich krepieren.

Verschattete Worte nisten in der Nacht. Manche gelallten Worte scheuen nicht einmal das Tageslicht. Sinnlose Wortbälle, die sich zu Sätzen verballhornen. Von Sonne und Mond beschienen. Von Regen und Hagel durchgebeutelt. Müdes, abgewracktes Wortgeklingel. Wortvergessen. Satzdemenz. Alzheimersätze.

Ein Alphabet, im Mörser zerstoßen oder mit Zement vermischt. Staub oder Betonplatte. Wortstaub oder Betonworte. Wortbeton, der das Herz in den Kniekehlen verortet. Vom Raffzahn der Geschichte zur Unkenntlichkeit verwortete Sätze. Worthexen, die auf Satzbesen durch das Universum wesen. Satzgeboren, satzgestorben, idiosynkratisch gegen Worte. Wortpyramiden ins Sumpfland. Jungfräuliche Wortsuppen. Röhrende Wortdonner. Sudelworte als Satzentschlackung. Wortkrieg durch die Jahre. Dämmerungssätze in den neuen Morgen.



textproben aus dem buch [schwarzlicht. erzählungen.]


giller, monika
in wien geboren. studium der philosophie und germanistik.
schauspielerin an deutschen bühnen (frankfurt, mainz, augsburg, darmstadt, göttingen).
journalistin in wien (arbeiterzeitung, orf, akh etc.).
veröffentlicht in literaturzeitschriften und anthologien.
mitglied der grazer autorinnen und autorenversammlung (gav) und ig autorinnen autoren.

veröffentlichungen
der stecher, kurzgeschichte in "die rampe", linz 1997
auf der suche nach der verlorenen idee, kurzgeschichte in "entladungen", wien 2009
reise in den tod, kurzgeschichte in anthologie "reisen im damenabteil", linz 2009
gedichte, in "log, zeitschrift für internationale literatur", wien 122/ 2009
die mühen der interviewerin, kurzgeschichte in "entladungen", wien 2010

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