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[heft 1] [jänner 2011] wien - st. wolfgang



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Herbert Zand
„Dem Leben immer knapp auf den Fersen …“
Raimund Bahr


Am 11. November 1923 wird er als einziges Kind einer Kleinbauernfamilie in Knoppen im Ausseerland (heute Gemeinde Pichl-Kainisch) geboren. In Knoppen gibt es außer landwirtschaftlicher Literatur kaum Zugriff auf Bücher. Bis zu seinem Einsatz an der Ostfront, beginnend mit seinem 17. Lebensjahr lernt er nichts anderes kennen, als die sogenannte „Provinz“. Doch diese Provinz ist geprägt von einem unglaublich reichen künstlerischen und literarischen Leben in der sogenannten „Sommerfrische“. Die Region pulsiert im Sommer. Autoren, Maler und Musiker prägen die Monate von Juni bis September. Herbert Zand kommt schon als Jugendlicher mit dieser internationalen Kunstszene in Kontakt.

Diesen ersten literarischen Gehversuchen folgt der Krieg und damit seine Erlebnisse an der Ostfront, die sein ganzes weiteres Leben und Schreiben prägen. Im Roman „Letzte Ausfahrt“ verarbeitet er seine Eindrücke. Das Buch gehört wohl zum Besten, was in Österreich zum Thema Zweiter Weltkrieg geschrieben wurde. Die Erlebnisse an der Ostfront prägen sein weiteres Leben und auch sein Schreiben. Er wird in den letzten Kriegstagen zum zweiten Mal schwer verwundet. Von einer Granate in den Eingeweiden schwer getroffen, schleppt er sich hinter die Front und kommt mit Splittern in der Hüfte zurück, die inoperabl immer wieder mit Fieberschüben und langen Krankhausaufenthalten Wirkung zeigen. Der Kessel, der Krieg und die Ausweglosigkeit werden für ihn zum Paradigma menschlicher Existenz, aus der es kein Entkommen gibt.
Nach dem Krieg kehrt er zuerst nach Knoppen zurück, wo er einerseits am elterlichen Hof mithilft, andererseits versucht als Autor neuerlich Fuß zu fassen. Die Verleihung des österreischischen Staatspreises für Literatur im Jahr 1952 ermöglicht ihm 1954 die Übersiedlung nach Wien. Im Juni 1953 heiratet er Hermine Gutsahr in der Pfarrkirche Kumitz, mit der er bis zu seinem Tod 1970 zusammenlebt. Die Ehe bleibt kinderlos. Seine Frau lernte er nach dem Krieg kennen, die für ihn ihren ursprünglichen Beruf der Krankenschwester aufgegeben hat, um am elterlichen Hof mitzuarbeiten und so die prekäre Existenz der Zands nach dem Krieg zu sichern.

Die Jahre von 1954-1970 in Wien sind immer wieder durch mehrwöchige Aufenthalte in Knoppen unterbrochen. In diesen Jahren schreibt er seine wesentlichen Werke. Sein Verhältnis zur Stadt und zu den Wienern bleibt immer schwierig. Auf Grund seiner Naturverbundheit fühlt er sich in der Stadt nicht wohl und setzt sich in Konfrontation mit dem Stadtleben immer wieder mit dem Vordringen technischer Elemente in der Nachkriegsgesellschaft auseinander. Herbert Zand arbeitet als Lektor beim Donau-Verlag. Er ist ein enger Freund von Wolfgang Kraus und dadurch auch Mitarbeiter in der „Gesellschaft für österreichische Literatur“.


Künstlerische Entwicklung
Herbert Zand interessiert sich früh für Literatur und beginnt schon als Schüler zu schreiben. Er schreibt all seine Schulhefte mit Geschichten voll. Bücher sind rar. Erst seine Hauptschulzeit in Bad Aussee läßt ihn erkennen, wie reichhaltig die Literaturgeschichte ist. Noch vor dem Krieg hat ihn Hans Vlasics, Zands Hauptschullehrer und selbst Schriftsteller, mit Hermann Broch bekannt gemacht, der sich in den Jahren 1936-1938 in Altaussee aufhielt. Das Dreieck Broch, Vlasics, Zand zählt zu den interessantesten Schriftstellerbeziehungen, die es im Salzkamergut gegeben hat. Hans Vlasics hat Herbert Zand mit Literatur versorgt und ihm so auch den Weg zu einer Form des Lesens geebnet, die im ein paar Kilometer entfernten Knoppen undenkbar gewesen wäre. Nach seiner Rückkehr 1945 sucht er Anschluß an die Literaturszene. Dies bringt ihn im Laufe der nächsten zwanzig Jahre seines literarischen Lebens in Kontakt mit Schriftstellern wie Wolfgang Kraus, Frank Thiess und Elias Canetti, mit dem ihn, trotz seltener Treffen eine innige Freundschaft verbindet. Ungewöhnlich ist auch die autodidaktische Aneignung von Fremdsprachen, die ihn zum wichtigen Übersetzter von Texten Henry Millers, Anais Nins und Malrauxs machen. Großen und nachhaltigen Erfolg bringt ihm schließlich sein Roman „Letzte Ausfahrt. Roman der Eingeschlossen“. Kaum ein anderer Autor hat die Situation seiner Generation derart präzise erfaßt wie Herbert Zand. Eine Generation, die kurz nach dem Ersten Weltkrieg geboren wurde, durch den Zweiten Weltkrieg hindurchgegangen ist und daraus die Erkenntnis der Vereinzelung des Menschen zog und die Kriegssituation schließlich als die existentielle Krise des Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts, ja der menschlichen Existenz selbst begreift. Herbert Zand muß im internationalen Kontext als einer der wesentlichen Vertreter der existentialistischen Literatur gesehen.

Im literarischen Leben Österreischs ist seine Biographie vor allem im Kontext der Verlags- und Literaturszene interessant. Als enger Freund von Wolfgang Kraus, dem Gründer der Gesellschaft für österreichische Literatur und Paula Daskaljuk (Leiterin des Donau-Verlages), ist er auch ein Zeitzeuge der Etablierung einer österreischischen Literatur, die kurz nach dem Krieg entstand und erst seit kurzem zum Objekt wissenschaftlicher Forschung wurde. Vor allem die umfangreichen Briefwechsel zwischen Herbert Zand und Wolfgang Kraus bzw. Paula Daskaljuk sind eine Fundgrube an zeithistorischen Angaben. Keiner Gruppe zugehörig, beobachtet er aber sehr genau die Vorgänge im Wiederaufbau.

Aus dieser Beobachtung resultieren auch seine literatur- und zeitkritischen Essays, die im Band „Träume im Spiegel“ (1973) publiziert wurden. Letztlich ist gerade die Breite von Herbert Zands Schaffen, die kaum ein Autor, eine Autorin aus dieser Zeit in der gleichen Dichte aufweist, von Interesse. Sein Werk reicht von Lyrik über Romane, über Essays zu Theaterarbeiten und Übersetzungen. Er schuf innerhalb von fünfundzwanzig Jahren ein dichtes und vielfältiges Werk, das den Vergleich mit anderen deutschsprachigen Autoren und Autorinnen in Qualität und Rang nicht zu scheuen braucht.

Er arbeitet lange an seinen Texten und er ist sein erster und heftigster Kritiker. Er bleibt Zeit seines Lebens ein großer Zweifler. Anerkennung und Ruhm sind ihm zweitrangig. Worum es ihm geht, die Wahrheit zu finden, die Welt zu entdecken und zu enthüllen, sich ihr schreibend zu nähern, sich loszuschreiben. Der Leser kommt erst danach hinzu. Er orientiert sich nicht an Moden, sondern an den Größen seiner Zeit. Er oszilliert zwischen Stadt und Land. Er ist in vielerlei Hinsicht ein Grenzgänger. Seine Karriere ist von großen Enttäuschungen geprägt und letztlich blieb ihm die Anerkennung als Autor, die ihm ein geruhsames Auskommen für seine schriftstellerische Tätigkeit ermöglicht hätte, verwehrt.
Er stirbt am 14. Juli 1970.

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